Team: Juliet
Challenge: Reverse Challenges - Am seidenen Faden (fürs Team)
Rating: gen
Fandom: Blind ermittelt, Tatort Wien
Charaktere/Pairings: Alex Haller, Ernst Rauter, (Alex/Niko)
Notes: Auf der Weihnachtsfeier der Polizei trifft Alex auf einen alten Bekannten.
Folgt auf
Schnee von gestern.
***
"Alex, hallo. Schön, dich zu sehen."
Alex drehte sich zu dem Mann, der ihn angesprochen hatte, einen Moment lang unsicher, wer da vor ihm stand. Er war ziemlich groß und ehrliche Freude schwang in seinen Worten mit. Irgendwie verband er diese Stimme mit Kara. Wer- Ach!
"Ah, guten Abend, Ernst. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass der Sektionschef auch eingeladen ist."
"In der Funktion bin ich auch nicht da. Nein, ich leite schließlich noch die Sonderkommission des BKA. Kommissarisch, versteht sich."
Alex grinste. "Und ich dachte immer, kommissarisch heißt 'vorübergehend'."
"Du weißt ja, nichts hält so lange wie ein Provisorium."
"Sind es schon zwanzig Jahre?"
"Noch nicht ganz. Nächstes Jahr."
Er hob sein fast leeres Sektglas und prostete Ernst zu. "Dann scheint's dir ja dort noch ganz gut zu gefallen."
"Ja, es ist auszuhalten. Auch wenn mich meine Ermittler manchmal in den Wahnsinn treiben."
Alex versteckte ein wissendes Lächeln hinter seinem Sektglas. Ernsts Tonfall klang genauso wie Lauras, wenn sie sich über ihn und Niko beschwerte. Wenn Ernst wollte, hätte er schon längst die Leitung der Sonderkommission abgeben können. Aber ganz offensichtlich liebte er seine Arbeit.
"Und was ist mir dir, Alex? Es hat mich gefreut, dass du wieder in den aktiven Dienst getreten bist. Wie geht's dir jetzt?"
Dass die Frage nicht nur aufs Dienstliche abzielte, spürte Alex. Mit Karas Paten und gutem Freund ihrer Eltern hatte er sich damals gleich gut verstanden, auch wenn er sich erst einmal daran gewöhnen musste, dass er einfach mit dem Sektionschef herumspaßen konnte, der bei offiziellen Anlässen immer einen so professionellen und unnahbaren Eindruck machte. Das letzte mal wirklich mit ihm geredet hatte Alex jedoch vor dem Anschlag. Er wusste, dass der Tod seines Patenkindes Ernst schwer getroffen hatte, aber um darüber nachzudenken hatte er damals ebenso wenig Kraft gehabt, wie für Karas Eltern.
Nach dem Anschlag war Alex' Welt geschrumpft, ganz klein geworden. Nur noch er, das Hotel, Sophie. Er hatte sich zurückgezogen, hatte lange Zeit niemanden an sich herangelassen.
Aber jetzt war alles anders.
"Mir geht's gut." Seine Gedanken verirrten sich einen Moment lang zu Niko. Ob der wohl schon alle Hors d’œuvres durchprobiert hatte? Er lächelte. "Mir geht's wirklich gut."
"Du schaust glücklich aus. Und… Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber… verliebt?"
Alex lachte. "Ohje. Sieht man es mir so leicht an?"
"Nun ja, vergiss nicht, dass ich weiß, wie du Kara immer angeschaut hast."
Ein dumpfer Schmerz pochte in Alex' Brust bei der Erwähnung ihres Namens. Wie eine alte Wunde, die zwar verheilt war, aber eine Narbe zurückgelassen hatte, die ihn den Rest seines Lebens begleiten würde. Er hatte mit dem, was passiert war, seinen Frieden geschlossen, doch er würde es nie vergessen können.
Kara war für immer ein Teil von ihm.
"Ich freue mich für dich, Alex," sagte Ernst und drückte einen Augenblick seinen Arm. "Um ehrlich zu sein, hatte ich mir ziemlich Sorgen um dich gemacht. Du warst nach ihrem Tod wie vom Erdboden verschluckt. Nun ja, mit Simon und Melissa…"
Ja, Karas Eltern hatten ihn für ihren Tod verantwortlich gemacht, zu Recht, wie er lange glaubte. Seine Schuldgefühle, seine Blindheit, die Ausweglosigkeit seiner Situation und die unerträgliche Trauer - Sein Leben hatte an einem seidenen Faden gehangen.
Wenn Niko nicht gewesen wäre…
"Es war… eine knappe Sache," sagte er, überrascht von seiner eigenen Ehrlichkeit. "Aber jetzt geht's mir gut. Kein Grund zur Sorge."
Niko hatte ihn gerettet. Und dann war er geblieben. Dann hatte Alex sich einerseits an ihn geklammert und ihn andererseits immer wieder von sich weggestoßen. Trotzdem hatten sie sich ineinander gelebt, bis Niko nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken war. Und aus seinem Herzen.
Von irgendwo hörte er Niko bellen und dann lachen. Er grinste. Sehr gut, der hatte hier offenbar auch seinen Spaß.
Alex tastete nach Ernsts Arm und hakte sich bei ihm ein. "So, du darfst mir jetzt das Büfett zeigen. Ich habe gehört, die Auswahl ist ausgezeichnet."
"Ich darf? Sehr nett von dir." Ernst lachte. "Gut, dann wollen wir mal sehen, was dort alles aufgetischt ist."