1. Türchen

Dec 01, 2019 20:23

Fandom: Original (Die Weihnachtskiller)
Challenge: Falsche Deko
Warning: Dem Titel treu hat es keine positive Haltung zu Weihnachten und kann Spuren von Zynismus enthalten.
Wörter: ~800

„Ich weiß ja nicht“, presste Merten heraus und war deutlich im Konflikt zwischen seiner sonst recht gut funktionierenden Büro-Symbiose mit Tatjana und dem dringenden Wunsch auf der richtigen Seite von Corinnas Urteil zu stehen.

Neben ihm stand Jasmin mit stoischer Miene und machte schließlich ein nachdenkliches Geräusch.

Tatjana japste und sah ihre Kollegin aus großen, feuchten, strahlenden Augen an, denn mehr Lob würde sie aus ihr vermutlich nicht herauskriegen. Sofern es sich dabei um Lob handelte, aber Tatjana glaubte an positives Denken, sonst wäre sie seit sechs Jahren nicht mehr morgens aus dem Bett gestiegen. Irgendwas Gutes wird schon dran sein!

Schließlich stöckelte Corinna in den Besprechungsraum und griff nach dem Coffee to go, der vor Jasmin stand. Jasmin zuckte nicht mit der Wimper und Merten kochte vor Eifersucht über ein solches Favoritenspiel. Corinna nahm einen großzügigen Schluck aus dem Becher und umschritt den kleinen Konferenztisch, ehe sie den Becher wieder wortlos vor Jasmin abstellte, samt eingefallenen Milchschaum und rotten Lippenstiftspuren. Merten plottete, wie seine Nahrungsmittel das nächste Mal ungefragt von deren Chefin genommen werden konnten, um als kleiner Liebling dazustehen, und vergaß für einen Moment, dass die Besprechung anfangen sollte.

Während Corinna sich endlich in ihren Stuhl setzte, konnte Tatjana vor positiver Anspannung nicht aufhören mit dem Vibrieren. Corinna winkte ihr zu loszulegen und die Dämme brachen.
„Die letzten Produktproben sind heute endlich eingetroffen und es sind fantastische Dinge dabei! Es sind so weit alle unsere Vorschläge und Ideen umgesetzt worden. Zusätzlich habe ich nach weiteren Alternativen gesucht und bin fündig geworden! Die Auswahl an Möglichkeiten ist großartig!“

Corinna wiederholt das Winken, ungeduldiger.

„Äh, also, also um zum Punkt zu kommen! Ich habe hier einige Stichproben ausgewählt, um die Palette zu präsentieren. Weihnachten ist enorm wichtig für das Dekorationsgeschäft. Es ging also um zwei Punkte: 1. Andere Ersatzmotive oder ein Rebranding der bisherigen Motive vorzunehmen. 2. Die Möglichkeit reduzieren, dass die Dekorationselemente wiederverwendet werden könnten, gelagert in Kellerkisten oder vergessen auf dem Balkon. Distinktiv und einmalig!“ Tatjana beugte sich vor und griff nach einer Kugel. „Zum Beispiel Weihnachtsbaumschmuck! Wir haben Studien, die zeigen, dass Leute an bestimmten Schmuckformen sehr hängen, wie Weihnachtsbaumkugeln!“

„Wollten wir nicht Weihnachtsbäume rausnehmen aus dem Traditionspaket?“, fragte Merten und sah seine Chance gekommen auf etwas Lob.

„Guter Punkt“, stimmte Corinna zu und sah Tatjana kritisch an. „Wo willst du sie ohne Baum aufhängen?“

„Überall!“, konterte Tatjana sofort, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Alles, wo es sich hinhängen oder hinstellen lässt - es gibt Gestelle für Weihnachtskugeln! Und weg vom ganzen Kunststoff und Metall! Statt nur auf Glas und seine Zerbrechlichkeit zu setzen, könnten wir eine ganze Palette an anderen fragilen Stoffen nutzen, besonders wenn sie vergänglich sind! Öko! Bio! Recyclebar! Definitiv nicht lagerbar! Für alles andere könnte man Jahreszahlen für die jeweilige Winterzeit setzen, wie bei dem hier. Zwei Produktschübe pro Winter! Mit Glitzer und Einhörnern! Saisontrends müssten sofort aufgenommen werden. Kugeln mit Bibern!“

„Bibern?“, fragte Corinna irritiert.

Tatjana senkte die Kugeln mit Jahreszahl und Glitzereinhorn und sah ihre Chefin ernst an. „Biber sind niedlich und sollten endlich Trendtiere sein“, sagte sie mit einer ehrlichen Überzeugung.

Einen Moment musste Corinna Tatjana schweigend anstarren. In ihr kämpften die Emotionen, um darauf entsprechend zu reagieren. Schließlich brachte sie nur ein „Ok. Biber“ heraus.

„Entschuldigt, aber kurz noch zu den Weihnachtsbäumen“, hakte Jasmin ein und Corinna sah sie für eine Millisekunde dankend an, dass sie diesen fürchterlichen Moment unterbrach, sagte jedoch bestimmt: „Die Sache ist geklärt, da gibt es nichts zu diskutieren.“

„Außerdem, je weniger Bäume gefällt werden, desto besser für‘s Klima. Wir sind keine Monster“, fügte Tatjana hinzu.

„Biber töten Bäume“, entgegnete Jasmin trocken.

Tatjana japste und zerbröckelte versehentlich die Kugel in ihrer Hand.

Merten klatschte.

„Worauf ich hinaus wollte: Wir haben den Beschluss vor über einem Jahr gefällt, so mit als erstes. Aber wir sollten die Tanne im Programm behalten.“

„So eine Echte, aus dem Wald?“, fragte Tatjana vorsichtig.

Unbeirrt der Nachfrage führte Jasmin weiter aus: „Wir haben eine wichtige Komponente zur Tanne vergessen, die wir unglaublich gut nutzen könnten. Sowohl als aus dem Traditionsaspekt, wie auch der Kostenersparnisse durch eine Weiterverwendung einiger bisheriger Produkte.“

„Komm auf den Punkt“, murrte Corinna ungeduldig und griff wieder nach Jasmins Kaffee, während vor ihrem inneren Auge flauschige Biber mit gruseligen Zähnen herumliefen.

„Konservative und Nazis und deren Vernarrtheit in den deutschen Wald. Wir könnten die Tanne für den Winter behalten. Immergrün, robust, ‚Oh Tannebaum‘. Aber für andere Jahreszeiten könnten wir andere Bäume hinzufügen. Im Frühjahr vielleicht Linden, Sommer die Eiche, im Herbst Ahorn? Wir könnten damit Tannen beibehalten und es auf weitere Jahreszeiten ausbreiten. Serien, die jedes Jahr zu den Trends angepasst werden, damit sie das Jahr darauf nicht mehr in sind. Vielleicht auch hier mit Naturprodukten arbeiten. Das könnte auch vielleicht andere Konsumentengruppen ansprechen. Produkte aus Deutschland für Deutschland.“

Corinna nahm einen großen Schluck und stellte mit einem zufriedenen Lächeln den Becher vor Jasmin ab. „Das ist mein Mädchen.“

original: die weihnachtskiller, original, nyx

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