Titel: Bettgenossen
Team: Weiß (Titanic)
Challenge: Crack/Humor: „Du und ich? So viel Amnesie kann ich gar nicht haben“ - Für mich
Fandom: Tatort Münster
Rating: PG-13
Genre: (Pre)Slash, Fluff, Humor
Warnungen: None
Zusammenfassung: Thiel wacht in Boernes Bett auf…
Wörter: ~1500
Anmerkungen: Es bleibt mal wieder die Feststellung, das für Crack/Humor Thiel und Boerne bei mir doch immer noch am besten ziehen…
Bettgenossen
Samstagmorgen waren wirklich eine Erfindung des Himmels. Erst Recht, wenn man weder Dienst noch Bereitschaft hatte. Ungestörtes Ausschlafen bis in die Puppen. Thiel seufzte leise und blinzelte unter bleischweren Augenlidern hervor.
Es war schon hell draußen. Die Sommersonne strahlte kraftvoll in die großen Fenster, doch die halbgeschlossenen Rollläden erlaubten nicht mehr als ein angenehmes Dämmerlicht. Genau richtig für das dumpfe Dröhnen hinter seinen Schläfen. Feine Staubkörnchen tanzten durch die hellen Lichtstreifen, leuchteten auf wie schwebende Diamanten, glitten wieder in die Dunkelheit und sanken langsam auf den dicken, weißen Läufer. Er sollte dringend mal wieder Staub saugen - und am besten auch gleich noch Staub wischen. Aber nicht jetzt. Der Radiowecker auf dem Nachtschränkchen zeigte gerade einmal halb neun und er hatte nicht vor, heute vor Mittag aufzustehen. Er seufzte abermals, zog die Decke bis zur Nasenspitze hoch und kuschelte sich tiefer in die Kissen.
Wohlige Wärme hüllte ihn ein, hielt ihn geborgen. Ein warmer Luftzug strich seinen Hals entlang. Boernes Hand glitt über seinen Bauch, fand irgendwie den Weg unter sein T-Shirt, strich über seine bloß Haut. Ein Körper schmiegte sich gegen seinen Rücken, Lippen streiften seinen Nacken, nuschelten ein paar zärtliche Worte in seine Haar. Er schmiegte sich tiefer in die Umarmung, strich Boernes Arm entlang bis zu dessen Hand, verschränkte ihre Finger, zog den Arm noch ein wenig fester um sich. Boerne reagierte sofort, verstärkte seinem Griff noch ein wenig, presste sich mit dem ganzen Körper gegen ihn, als wollte er in ihn reinkriechen. Gab es etwas schöneres, als morgens so aufzuwachen? Warm, geborgen und gut erholt.
Da war etwas ganz am Rand seines Bewusstsein, ein Vorahnung ein Hinweis, dort herumkroch, wie eine lästige Fliege, die man nie zu fassen bekam. Er hatte jetzt weder die Kapazitäten noch den Willen sich damit zu befassen. Es war viel zu gemütlich hier.
Leise Geräusche drifteten durch die geöffneten Fenster herein. Blätter raschelten im Wind, ein Auto fuhr vorbei, in den Ferner bellte ein Hund und dann das allgegenwärtige Klingeln der Fahrräder. Sie gehörten zu einem Samstagmorgen in Münster genauso dazu, wie Boernes leiser, gleichmäßiger Atem in seinen Nacken. Seine Glieder wurden schwerer und schwerer, seine Gedanken immer träger und er … Moment mal! Boerne? Was tat Boerne in seinem Bett?!?
Mit einem Ruck saß Thiel senkrecht im Bett, riss die Augen auf. Der Arm verschwand von seinem Bauch, jemand brummte unwillig und die Welt war für einen Augenblick sehr wackelig. Sein Kopf dröhnte. Hinter seinen Schläfen hämmerte es, als rückte jemand seinem Schädel mit der Schlagbohrmaschine zu Leibe, seine Zunge klebte am Gaumen und da war so ein komischer, bitterer Pelz in seinem Mund. Er hatte gestern Abend gesoffen und das nicht zu knapp. Das erklärte aber immer noch nicht, wie Boerne in sein Bett kam. So besoffen konnte er doch gar nicht… Halt, stopp! Dieser dicke, weiße Läufer, diese seltsame Designerlampe auf dem Nachtschränkchen, das Skelett da in der Ecke… das war gar nicht sein Bett. Das war Boernes Bett. Er lag im falschen Bett, nicht Boerne.
Die Erinnerung brach über ihn herein, wie eine Lawine. Der tot Drachenflieger, Boernes dämlicher Magier-Trick, der Unfall der dann doch ein Mord war, diese ganze verlogene Schokoladensippschaft, die eiserne Gräfin, sein Vater, das fehlende Geld, der abgestellte Strom, die Erleuchtung, die Lösung des Falls, das illegale Wettlokal und zur Krönung des ganzen dann noch Boernes Idee, dass sie seine dunkle Seite feiern müssten. Auf so einen Schwachsinn konnte auch wirklich nur Boerne kommen. Aber es war ein netter Abend gewesen. Sie hatten Wein getrunken, Boernes Poesiealbum durchgeblättert, gelacht und in Erinnerungen geschwelgt. Irgendwann war der Wein alle gewesen, aber noch viel Abend übrig und dann hatte Boerne was anderes zu trinken geholt, und dann… dann fehlte ihn der Rest des Abends. Wie war er von der Couch, auf der Boerne ihn mit glänzenden Augen angesehen hatte, halbnackt in Boernes Bett gekommen. Sie hatten doch nicht etwa…
Er hielt inne, schloss die Augen, spürte in sich hinein. Nein, fühlte sich alles gut an. Keine unerklärlichen Schmerzen, kein Gefühl von Wundheit, nichts Klebriges in der Unterhose. Alles wie es sein sollte. Abgesehen davon, dass er sich in Boernes Schlafzimmer befand - in Boernes Bett besser gesagt - und keine Ahnung mehr hatte, wie er da hingekommen war. Es war nicht völlig auszuschließen, dass es mit diesem ‚anderen Getränk‘ zu tun hatte, dass Boerne gestern Abend noch ausgepackt hatte, was auch immer das gewesen sein mochte. Aber wie genau das von statten gegangen war, das musste er vielleicht auch gar nicht so genau wissen. Viel wichtiger war, dass er es dringend ändern sollte. Ganz dringend. Bevor Boerne wach wurde und womöglich Fragen stellte, die er seit über drei Jahren erfolgreich verdrängte.
Vorsichtig schlug er die Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und erhob sich. Seine Jeans und die Socken lagen auf dem Sessel in der Ecke. Sogar ordentlich gefaltet. Besser nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Aber es ersparte ihm immerhin die Peinlichkeit, ‚unten ohne‘ über den Flur zu huschen und womöglich von den Nachbarn erwischt zu werden. Er griff die Sachen und wollte gerade in den Flur huschen, wo hoffentlich seine Schuhe standen. Als hinter ihm die Bettfedern knarrten.
„Thiel?“, kam es ungläubig von Boerne.
Verdammt! Ihm blieb aber auch nichts erspart. Langsam drehte er sich auf den Fersen herum, schaute zu Boerne hinüber. Automatisch presste er die Hose mit beiden Händen vor den Schritt. Nicht dass es nötig gewesen wäre, aber trotz Unterhose fühlte er sich gerade sehr nackt.
Boerne stemmte sich gerade aus den Kissen hoch und schaute Thiel sehr zerknautscht an. Ob das jetzt daran lag, dass Boerne gerade aufgewacht war oder mehr daran, dass er seine Brille nicht trug und deswegen die Augen zusammenkniff um besser sehen zu können, konnte Thiel nicht sicher sagen. Vermutlich an beidem ein bisschen. In jedem Fall sah er plötzlich um Jahre jünger aus und irgendwie fast niedlich.
„Was tun Sie in meinem Schlafzimmer?“
„Ich gehe gerade.“
In Ermanglung besserer Alternativen schlüpfte Thiel schnell in seine Hose. Die Socken behielt er in der Hand, aber so fühlte er sich nicht mehr ganz so nackt. Nur das komische, defensive Gefühl in der Brust, das blieb. Wie wenn man von seinem One-Night-Stand erwischt wurde, als man sich gerade aus der Wohnung schleichen wollte. War ja nicht mal ganz falsch, obwohl sie ja streng genommen keinen One-Night-Stand gehabt hatten… wahrscheinlich… hoffentlich…
„Das sehe ich!“ Boerne griff nach seiner Brille und schob sie auf die Nase. „Die Frage ist, was sie überhaupt hier getan haben. Und wie sie hier hingekommen sind.“
Gute Frage. Wenn er das wüsste, würde er es Boerne ja sagen. Aber dann wüsste Boerne es vermutlich auch selbst. Aber der hatte scheinbar genauso wenig Ahnung, wie er selbst. Das war gut. Dann musste er nur zugeben, was offensichtlich war.
„Ich hab’ hier übernachtet.“
„Wo?“ Boerne klang wie eine strangulierte Katze. Hoch und quietschig.
Dämliche Frage. So viele Möglichkeiten gab es hier ja nun nicht. Und das er nicht auf dem Teppich gepennt hatte, wenn Boerne ein riesiges Doppelbett besaß sollte doch eigentlich klar sein.
„In Ihrem Bett natürlich! Wo denn sonst?!“
Boerne starrte ihn an, wie der sprichwörtliche Reh im Scheinwerferlicht. Der werte Herr Professor war heute morgen echt nicht auf der Höhe.
„In meinem Bett?“, quetschte er hervor. „Sie und ich, Thiel? Unmöglich! So viel Amnesie kann ich gar nicht haben!“
Okay, vielleicht war Boerne doch wesentlich mehr auf der Höhe als er. Die bösen Spitzen trafen jedenfalls schon wieder verdammt gut. War ja klar, das Boerne alles leugnen würde. So ein popeliger Hauptkommissar, das war einfach unter seiner Würde. Er wusste schon warum er seine Gefühle immer unter der Decke gehalten hatte. Aber was Boerne konnte, konnte er schon lange.
„Gerade waren Sie noch ganz angetan. Sie wollten mich gar nicht loslassen!“
Ungebeten schob sich wieder das Gefühl von Boernes Lippen in seinem Haar und der Hand, die sanft seinen Bauch kraulte, in sein Bewusstsein. Resolut drängte er es zur Seite. Eine schöne Erinnerung, mehr nicht.
„Was?“ Da war sie wieder, die strangulierte Katze. „Wollen Sie etwa sagen, …“
„Keine Sorge, ich erzähle es schon niemandem.“
„…dass mein größter Traum in Erfüllung gegangen ist und ich kann mich nicht mal erinnern.“
„Ich geh’ dann…“ Thiel hatte sich schon halb zum gehen gewandt, als Boernes Worte sein Gehirn erreichten. „Was?“
Hatte er das jetzt richtig gehört. Das konnte doch nicht sein. Oder doch? Ganz langsam drehte er sich zurück, starrte Boerne an. Der saß immer noch im Bett und starrte zurück. Eine ganz und gar untypische Röte auf den Wangen und ein Ausdruck auf dem Gesicht, wie ein Kalb, das man zur Schlachtbank führte. Boerne hatte genau das gesagt, was er verstanden hatte, dämmerte es Thiel. Und viel wichtiger, er hatte es auch exakt so gemeint. Er schluckte. Da war mit einem Mal ein dicker Kloß in seinem Hals und seine Kehle war viel zu trocken.
„Sie… ich… wir… wir könnten…“ Er räusperte sich geräuschvoll. „Wir könnten Ihrer Erinnerung ein bisschen auf … auf die Sprünge helfen.“
Boerne hob die Decke ein wenig an und noch nie war Thiel so schnell aus seiner Jeans gekommen, wie in diesem Moment.