Team: Kalle der Eisbär
Challenge: Blut/Weltuntergang
Fandom: Original
Wörter: ~750
Anmerkung: Diese Idee geistert immer mal wieder durch meinen Kopf bzw. braut sich immer mal wieder zusammen, wenn ich auf Twitter mal Nachrichten lese. Aus der Prämisse könnte man natürlich auch so unendlich viel mehr machen.
Am sechzehnten August 2019 beschloss sie, die Erde von der Plage der selbstgerechten Menschen zu befreien.
Das war der Tag, an dem im ersten deutschen Fernsehen diskutiert wurde, dass man Greta Thunberg erst dann respektieren würde, wenn sie statt des Hambacher Forstes die Urwälder am Amazonas rettete; der Tag, dem zahlreiche Männer auf Twitter den Hashtag #GrillengegenGreta trenden ließen , der Tag, an dem in den USA ein weißer, junger Mann mit MAGA-Basecap fünfzig Menschen mit einer vollautomatischen Waffe niedermähte, die er kurz zuvor im Walmart seines Heimatstädtchens erworben hatte.
Die Nachrichten waren voll von Meldungen über das nahende Ende der Welt und zum unzähligsten Male erkannte sie, dass egal war, wie lange man auf die Handvoll Entscheider aller Geschicke einredete. Sie änderten nichts, nein, sie erkannten nicht einmal den Ernst der Lage an.
Also entschied sie sich dafür, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und jene Kraft in sich zu entfesseln, die sie bis zu diesem Tag vor der Welt verborgen hatte.
Als sie auf der großen Rasenfläche vor dem Reichstagsgebäude im Berliner Regierungsviertel dabei gefilmt wurde, wie sie die Luft in glühendheißes, schwarzes Verderben verwandelte, rissen die wenigen Touristen, die in der Nähe waren (denn es war ein regnerischer Tag), ihre Handys in die Höhe und filmten sie. Man schätzte später, dass nur zwei oder drei die Druckwelle überlebten, welche sie kurz daraufhin ergriff.
Man hielt sie für den PR-Stunt eines möglichen neuen X-Men-Filmes, man versuchte herauszufinden, woher die Special Effects kamen.
Dann,als sich herauskristallisierte, dass all dies in Wirklichkeit geschah, schickte man die Helikopter.
Mit einer Handbewegung zerknickte sie sie in der Luft.
Ohne jegliche Schwierigkeiten trotzte sie den Staffeln der SEK-Beamten, dann den Panzern, den Bomben, den Raketen der Eurofighter.
Sie spazierte wie eine Schlafwandlerin durch das Gebäude des Bundestages und machte die altehrwürdigen Mauern dem Erdboden gleich, um sich herum eine Spirale der Zerstörung ziehend.
Nach dem Schock kam die Ohnmacht der weißen Männer. Und danach versuchten sie zu verhandeln.
Man lud sie zu Gesprächen ein, das Fernsehen gar zu mehreren Sendungen.
Sie nahm nur eine einzige Einladung an.
„Was genau ist dein Ziel?“, fragte Böhmermann. Nie zuvor hatte man auf seiner Stirn diese Angstfalten gesehen.
„Darf ich überhaupt du sagen?“
„Darfst du“, sagte sie. Sie ließ dabei die Füße baumeln, weil der Stuhl eigentlich etwas zu hoch für sie war.
„Um deine Frage zu beantworten: Die Beseitigung aller Unterdrücker. Ich habe es nicht eilig, aber ich werde auch nicht trödeln.“
Dann lächelte sie.
Ihr Gesicht zierte das Internet und die Titelseiten der Tageszeitungen, der Magazine.
Es gab Artikel im Stern, im Spiegel, in der Bravo.
„Ihr könnt mich lächerlich machen und auslachen“, wurde sie von der Böhmermann-Sendung zitiert.
„Tut euch keinen Zwang an. Ich werde euch trotzdem töten.“
Die Menschen erkannten, dass sie eine Göttin geweckt hatten. Eine Kraft, die indifferent war gegenüber den flehenden Konzernchefs, die kurz vorm Ersticken beteuerten, dass sie doch Hilfsprojekte auf dem afrikanischen Kontinent begleiteten, dass sie sich doch sehr wohl für eine CO2-Steuer ausgesprochen hatten. Eine Kraft, die hinwegfegte über die Köpfe der Ultrarechten, die sich in aller Hektik zuvor eine Regenbogenflagge ins Büro gehängt hatten.
Sie zog das Blut aus den Menschen und tränkte die verdorrten Felder damit.
Sie fletschte die Zähne und man erzitterte.
Sie stand schweigend neben Demos aller Menschen, in denen man im Chor sang:
„Hurra, die Welt geht unter!“
Sie horchte auf die Menschen, die sie baten, aufzuhören, weil man Gewalt nicht mit Gewalt bekämpfen sollte. Sie antwortete ihnen:
„Eure Unterdrücker hatten die Wahl, keine Gewalt gegen euch einzusetzen und sie haben entschieden, es dennoch zu tun.“
Als sie nach Monaten vor dem weißen Haus in den USA stand und dabei zusah, wie in schwarze Anzüge gekleidete Security-Männer so schnell vor ihr Reißaus nahmen, dass ihnen ihre Interface-Knöpfe aus den Ohren fielen, spürte sie endlich einen Hauch von Genugtuung.
Sie schaute zur Seite auf die Menschen, die sie seit Tagen begleiteten, die aufgehört hatten, Kameras auf sie zu halten, die aufgehört hatten zu versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
„You do know that he's not in there, right?“, sagte eine Frau vorsichtig, fast zärtlich.
Sie lächelte.
„It doesn't matter“, erwiderte sie.
„I'm going to find him. Eventually I'm going to find all of them.“