Team: Schwarz (Eisberg)
Challenge: Romantik/Intimität: Signifikante Größenunterschiede - für mich.
Fandom: Original (Arbeitstitel: Square-san & Biker-san)
Charaktere: Wolfgang (ein Spießer), Horst (ein Biker)
Wörter: ~ 1010
Anmerkung:
Nyx-chan wollte, dass noch mehr zu ihnen existiert. Daher gibt's eine Fortsetzung
hierzu.
Horst sah ihn schief an, als er mit einem sauberen Papiertuch in der Hand auf die Toilettentür zumarschierte.
„Was willst’n damit?“
„Hast du dir die Hände gewaschen, bevor du mich angesprochen hast?“
„Öh…“
„Und wo hattest du die vorher?“, fragte Wolfgang mit einem nachsichtigen Lächeln.
„Da fällt mir ein, ich muss noch kurz…“
„Ja, ja, schon gut, wir sehen uns dann vorne am Haupteingang.“
Er umfasste die Klinke mit dem Tuch in der Hand und schlich in den Flur, als er sichergestellt hatte, dass niemand hier war, der ihn fragen konnte, was er so lang auf dem Klo gemacht hatte. Koriander. An Salzkartoffeln. Er würde noch zu Sabines Silberhochzeit Albträume davon bekommen.
Die Zeit, die Horst zum Pinkeln und für die wahrscheinlich gründlichste Handwäsche seines bisherigen Lebens brauchte, nutzte Wolfgang, um sich eine Flasche stilles Wasser und seinen Mantel zu organisieren, ohne in den Saal zurückkehren zu müssen. Als er sich nach draußen stahl, stand Horst schon in der Kälte, mit Kippe im Mund und Lederjacke über einem Anzug, der aussah als wäre er zuletzt zur Konfirmation getragen worden. Wenn man es ganz genau nahm - und Wolfgang nahm es immer genau - dann sah alles an Horst schon etwas in die Jahre gekommen aus. Die Figur, die schon lange kein Sportstudio mehr gesehen hatte. Die Jacke mit den abgerubbelten Schultern. Die Bikermatte, die er sich zur Feier des Tages zu einem beinahe ordentlichen Zopf gebunden hatte. Immerhin, den Bart hielt er für jemanden seiner Subkultur recht gut in Schuss.
Sie schwiegen, während Horst seine Zigarette aufrauchte und Wolfgang sich den widerlichen Geschmack von Erbrochenem (und Koriander! An Salzkartoffeln!) aus dem Mund spülte. Drinnen spielten sie die nächste Runde Scharade. Dem deutlich zu informativen Krach nach zu urteilen, hatte man das Konzept der Pantomime noch immer nicht ganz durchdrungen. Er würde später jemanden vom Personal nach einer Kopfschmerztablette fragen. Bei der Hochzeitsgesellschaft mussten sie sich vorher eingedeckt haben.
Bis dahin war er sehr zufrieden mit jedem Schritt, den Horst und er einvernehmlich zwischen sich und die Feier brachten.
„Gehörst du jetzt eigentlich zur Braut oder zum Bräutigam?“, wollte Horst wissen. Oder vielleicht machte er auch nur Smalltalk. So oder so hatte Wolfgang kein Interesse daran, dieses Fass aufzumachen.
„Dafür kennen wir beide uns nicht gut genug“, informierte er daher und ging zum Gegenangriff über.
„Wo steht dein Motorrad?“
„Ecke Rheinstraße, gleich da drüben.“
Horsts Baby war in der Tat sehr schwarz und sehr sportlich gebaut. Sie war auch besser in Schuss als Horst. Entweder, er hatte sie in der letzten Saison nicht ausgeführt, oder sie war seitdem regelmäßig mit Wäschen und Polituren beglückt worden.
„Schönes Mädchen“, fand Wolfgang.
„Ist sie“, stimmte Horst ihm zu und schob sich die Hände in die Taschen, obwohl er, der offenen Jacke nach zu urteilen, weniger unter der Kälte litt als Wolfgang. „Und unter der schönen Hülle n echtes Biest.“
„Wie liegt sie auf der Straße?“
„Auf der Landstraße wie auf Schienen, aber auf der Autobahn muss man sie zu handlen wissen.“
Er grinste wie ein Cowboy nach seinem ersten Rodeo, während Wolfgang sich fragte, ob das Unwohlsein in seinem Magen gerade wirklich nur vom Salzkartoffelwürgen kam. Kritisch begutachtete er die vom Nieselregen glänzende Straße und die wahrnehmbare Alkoholfahne, die er unter der abstoßenden Rauchwolke ausgemacht hatte, in der Horst lebte.
„Hm“, machte er. „Hast du’s weit?“
„Nee, nur runter nach Porz.“
„Porz“, wiederholte Wolfgang abfällig. „Ist das wieder so ein fast freiwilliges Ding?“
„Könnte man sagen“, lachte Horst. „Da ist die Couch, auf der ich heute Nacht schlafe. Eigentlich komm ich aus Fischlaken.“
Wolfgangs Mundwinkel zuckten ungebeten nach oben.
„Wo zur Hölle ist Fischlaken?“
„Bei Essen.“
„Ah.“
Von seiner Wohngegend also ne gute Stunde mit dem Auto, rechnete Wolfgang. Nicht dass es in irgendeiner Weise relevant gewesen wäre. Er rechnete einfach gern und den Autominutenreflex hatte er schon als Kind gehabt. Wo er schon dabei war, erledigte er das auch gleich für die Strecke „Höllenhochzeit nach Schlafcouch“ und kam zu einem eindeutigen Ergebnis.
„Aber jetzt mal im Ernst, Horst, nimm dir ein Taxi nach Porz.“
„Ach komm, ich hab kaum was getrunken und so weit ist es doch auch nicht.“
„Na umso besser, wenn’s nicht weit ist, dann ist das Taxi auch nicht teuer.“
„Aber ich müsste Susi dann hier stehenlassen“, wandte er ein.
Susi für eine Suzuki. Wie… originell. Aber sie war wirklich ein schönes Mädchen. Er konnte verstehen, dass Horst sie nicht alleinlassen wollte. Er rechnete seinen eigenen Alkoholpegel gegen den von Horst auf, verglich das mit der Bilanz ihrer lebensrettenden Hilfestellungen an diesem Abend und kam seufzend zu dem Schluss, dass er es dem Mann schuldete, ihn vor seiner eigenen, hoffentlich nur alkoholinduzierten Dummheit zu retten.
„Ich wohn' 8,4 Kilometer von hier“, informierte er. „Und meine Wohnbatterie hat ne Tiefgarage. Ich kann dein Motorrad zu mir fahren und du nimmst dir n Taxi und holst sie morgen.“
Horst guckte ihn an als wolle er selbst das Auto werden, gegen dessen Benutzung er sich widersinnigerweise sträubte.
„Du… kannst Motorradfahren?“
„Ich kann alles fahren, außer Traktoren und Turmdrehkränen.“
„Wie das?“, fragte Horst und wirkte dabei nahezu nüchtern.
„Ich bin Brillenträger und mein Kopf sitzt höher als der der meisten anderen. Nicht die besten Karten für die Realschule. An der Fahrschule war's besser. Also…“
Er zuckte mit den Achseln.
„Also hast du… viel Zeit da verbracht?“, versuchte Horst zu folgen.
Du liebe Güte, der Mann war wirklich ein… Horst.
„Viel Zeit verbracht und Theoriestunden gegeben“, half Wolfgang ihm auf die Sprünge. „Für die ich in Praxisstunden bezahlt wurde, weil das mit der Steuer besser funktionierte.“
Horst kratzte sich die Bikermatte, während es hinter der zerfurchten Stirn rumorte.
„Aber ist sie nicht n bisschen klein für dich?“, warf sein Mund schließlich ein Ergebnis aus.
„Für die paar Kilometer wird’s schon gehen. Mit den Japanerinnen in der Fahrschule bin ich ja auch zurechtgekommen.“
Horst haderte. Das Lächeln, das sich dabei in seinen Bart schlich, gefiel Wolfgang nicht.
„Ich weiß nicht“, feixte er, „ich kenn dich ja gar nicht.“
„Horst. Du versuchst schon wieder witzig zu sein. Tödliche Verkehrsunfälle sind nicht witzig.“
„Braut oder Bräutigam?“