Team: Gryffindor
Challenge: H/C- "Bitte geh nicht" (für mich)
Fandom: Tumbling (Office AU)
Personen: Ryôsuke, sehr besorgt; Yûta, völlig am Ende mit den Nerven
Wörter: ~1600
Anmkerung: Kein Plot. Nur Tonnen an Comfort. Bitte keine zu hohen Erwartungen.
Er hat „Seven Nation Army“ im Ohr. Die Dubstep-Version.
Dubstep ist gut. Dubstep passt zu dieser Geschäftsreise, zu diesem Büro, zu Tsurumi.
Ryôsuke nimmt die letzten Schritte ins Hotel im Takt und neigt seinen Kopf nach links und rechts, als wollte er seinen Nackenmuskeln etwas lockern. In Wirklichkeit will er nur ein bisschen posen.
An Tagen wie heute sehnt er sich zurück nach seinen Wurzeln; danach, hippe Klamotten anzuziehen, sich einen Undercut schneiden zu lassen und Fotos auf Instagram zu laden, neben die Mädels Dinge schreiben wie „Du bist so hot, ich will weinen!“
Oh Mann, das waren Zeiten.
Als er mit seinen Kumpels durch die Straßen von Shibuya und Harajuku gezogen ist und wahllos Schlägereien mit komischen Typen angezettelt hat. Als er und Wataru sich Samstagabend gegenseitig die Haare gefärbt haben und anschließend die Clubs unsicher gemacht haben.
Zu Dubstep.
Als er sich noch nicht damit zurückhalten musste, Knilchen wie Tsurumi die Fresse einzuschlagen, wenn sie zu sehr genervt haben.
Ryôsuke post an der Rezeption vorbei und gibt der Dame von der Night Manager Crew ein charmantisches Augenzwinkern, nur um zu sehen, ob er es noch draufhat (er hat es) und steigt erst dann in den Fahrstuhl zu seinem Zimmer.
Ja gut, okay, vielleicht hat er den Einkaufsbummel nach Feierabend nicht so ganz ohne Hintergedanken gemacht. Vielleicht fällt ihm die Decke seines nunmehr einsamen Hotelzimmers selbst in der halben Stunde, die er da wach zubringt, auf den Kopf.
Vielleicht hat er sich in dem großen HMV um die Ecke mit Absicht die Ohren mit allerlei Musik weggedröhnt, um nicht an jemanden Bestimmtes zu denken.
Und jetzt - jetzt fährt er an der Etage vorbei, in Yûta in seinem neuen, privat bezahlten Zimmer haust und in dem er ihn nicht besuchen darf, weil Yûta gesagt hat „Wir sollten uns nicht mehr sehen.“
Ryôsuke seufzt über das Wummern seiner Kopfhörer hinweg und starrt auf die Etagenanzeige.
Zweiter Stock.
Dritter Stock.
Yûta ist sein Boss und was der sagt, ist Gesetz.
Vierter Stock.
Wenn der nichts mehr mit ihm zu tun haben will, weil er sich für Ryôsuke schämt, ist das seine Sache.
Fünfter Stock.
Ach, zur Hölle nochmal.
Ryôsuke knallt die Faust auf die sechs und steigt aus dem Fahrstuhl.
Zimmer 611 kommt unscheinbar daher, am Ende des Ganges.
Ryôsuke schaut auf sein Handy. Es ist kurz vor Mitternacht und er findet es irre, dass er sich fragen muss, ob Yûta wohl schon da drin ist.
Die Zahl leuchtet rot, was bedeutet, dass der Bewohner sich im Hotelzimmer befindet und es ist das erste Mal, dass der Dubstep in Ryôsukes Ohren ihm keinen Übermut mehr einflößt.
Er nimmt die Kopfhörer heraus und steckt sein Handy weg.
Mit einem vorsichtigen Knöchel klopft er an.
Dann, als nichts geschieht, mit zweien.
Dann mit dreien.
Ob Yûta wieder in seinem Anzug aufs Bett gefallen und da einfach eingeschlafen ist?
Jetzt, da er alleine „wohnt“, hat er doch niemanden mehr, der ihm die zumindest Jackett, Schuhe und Hose auszieht und ihn zudeckt.
Ob er genügend Wasser trinkt? Ob er sich die Zähne putzt?
Ehe Ryôsuke weiter darüber nachdenken kann, welche Grenzen er jetzt überschreitet, klinkt er die Tür runter - und steht plötzlich in Yûtas nicht abgeschlossenem Zimmer.
Das Bett in der Mitte des Raumes ist nicht rund. Das ist das erste, was ihm auffällt.
Darauf sitzt Yûta und starrt reglos auf den grauen Teppichboden wie eine Puppe, die irgendwer dorthin drapiert hat.
Rechts von ihm ist ein Tisch und ein Stuhl, ober den ordentlich einige Kleider gelegt sind. Sein Koffer steht eingequetscht zwischen Tisch und Bett.
Es ist das ordentlichste Bild der Verzweiflung, das Ryôsuke je gesehen hat.
Wie lange sitzt Yûta schon so hier? Wieso sieht er Ryôsuke nicht einmal an?
„He..“, macht Ryôsuke leise.
„Yûta. Yûta!“
Erst jetzt dringt Bewegung zurück in den Körper des Mannes. Wie eine Marionette, die an einem Faden etwas hochgezogen wird, hebt er den Kopf und sieht aus, als würde er Ryôsuke zum ersten Mal in seinem Leben sehen.
Auf seinen Wangen glänzt es feucht.
Fuck, denkt Ryôsuke.
Fuck, fuck, fuck.
Er schließt die Tür hinter sich so schnell er kann und verriegelt sie.
Takenaka Yûta weinen zu sehen ist das größte Geheimnis der Welt. Niemand darf wissen, dass er weinen kann. Niemand soll ihn so sehen. So..erschöpft, so zerbrechlich, so...
„Was machst du hier?“, flüstert Yûta. Er ist außer sich, aber er hat offenbar keine Kraft mehr, es laut zu sagen.
Seine Haare sind total zerzaust. Sein Jackett liegt neben ihm auf der Bettdecke, sorgfältig gefaltet. Seine Hemdärmel sind liederlich hochzogen, so dass Ryôsuke feine, hellrötliche Linien auf Yûtas Armen sehen kann, dort, wo er sich offenbar mit seinen Fingernägeln gekratzt hat.
Yûtas Unterlippe sieht spröde und aufgebissen aus.
Ryôsuke hat noch nie jemanden gesehen, der so fertig war.
Und Gott, er hat heroinabhängige Kerle als Freunde gehabt.
„Wollte nur nach dir sehen“, presst er heraus.
Darf er das hier sehen? Begeht er ein Sakrileg?
Yûta, der weint und seine Unterarme entblößt hat, das ist fast so, als wäre Ryôsuke an das Set eines Pornos gestolpert und alle Menschen wären nackt.
Yûta tut sich doch schon schwer damit, an Casual Fridays ohne Krawatte zu erscheinen.
„Soll ich wieder gehen? Soll ich... keine Ahnung...“
Ja, was eigentlich? Wataru anrufen und ihn Yûta ans Ohr halten?
Weil Wataru die Antwort auf alles ist, wenn es Yûta nicht gut geht, so wie Taku die Antwort für Ryôsuke ist.
„Nein...“
Yûta schnieft und die Art, wie er Ryôsuke ansieht, ist die eines gebrochenen Kriegers. Jemandem, der kapituliert und der seinem Gegner den Nacken hinhält. Auf Gedeih und Verderb.
„Bitte geh nicht...“
Und ab hier verlassen sie jegliche gesellschaftlich konformen Regeln.
Ryôsuke greift zurück auf das Wataru-Protokoll. Weil es das einzige ist, was ihm einfällt und weil... nun ja.. es Wataru ist. Und das sieht vor: Sei zärtlich um jeden Preis, egal, was andere Leute sagen würden. Zum Teufel mit anderen Leuten.
Er streift sich seine Jacke ab und wirft die Tasche mit seinem Laptop, mit den gekauften CDs achtlos zu Boden, schlüpft aus seinen Schuhen und lässt sich auf dem Bett nieder. Seitlich von Yûta sitzend, schlingt er ein Bein C-förmig um ihn herum und zieht ihn in seine Arme, atemlos, bis sein Herz sich an den Schreck gewöhnt und wieder anfängt zu klopfen.
Scheiße. Wie konnte er nur jemals diesen Computervergleich zu Yûta ziehen?
Die Art, wie Yûta sich in seine Arme ergibt, bricht ihm das Herz. Er erschlafft vollkommen, krallt die Finger in Ryôsukes Hemd ein und schluchzt. Es klingt zum Steinerweichen. Untröstlich.
Es erinnert Ryôsuke an sein eigenes Schluchzen damals, als er dachte, Mizusawa würde ihn nicht lieben, als er in Watarus Armen hing. Genauso schlaff, genauso leblos.
„Hey, hey“, wispert er beruhigend in Yûtas Haare. Er hält ihn noch etwas fester, streichelt beruhigend seinen Rücken.
„Es ist alles gut. Ich bin ja da.“
Die Art zu trösten muss angepasst sein an die Art der Verzweiflung.
Es fängt bei einem Lächeln an, geht zu einem lächerlich männlichen Schulterdruck bis zum Klopfen auf den Rücken, als wollte man die Sorgen aus seinem Gegenüber herausschlagen.
Das hier... das ist ein ganz anderes Level.
Er hat keine Ahnung, wieviel Prozent dieser Schluchzer Sorge sind. Oder Wut. Oder Müdigkeit.
„Ich bin ja da“, wiederholt er beruhigend und Yûta schlingt einen Arm um ihn.
Er ist warm und benetzt Ryôsukes Hemd mit seinen Tränen, er riecht nach dem schrecklichen Weichspüler der Hotelwäscherei und darunter nach Yûta. Und ein klein bisschen nach Wataru. Wie auch immer er das schafft.
„Soll ich hierbleiben heute Nacht?“, fragt Ryôsuke vorsichtig.
Dass Yûta nicht antwortet, sondern nur heftig nickt, bricht ihm gleich nochmal das Herz.
„Ist ja gut. Ich geh nicht weg, okay. Ich geh nicht weg. Komm her.“
Er schiebt Yûta sanft weiter auf das Bett, entwirrt ein klein wenig ihre Beine und Arme, knöpft sein Hemd auf und streift es ab. Selbst sein Unterhemd darunter ist feucht, aber das macht nichts. Es ist warm hier.
Und zum ersten Mal denkt Ryôsuke bei der Panik, die in seinem Hinterkopf sitzt und ihn mit Sirenen anspringt und ihn Oh Gott, was ist, wenn du einen Ständer bekommst?! anleuchtet: Scheißegal.
Er bugsiert sie beide unter die Decke und sich auf den Rücken, zieht Yûta halb an, halb auf seine Brust und deckt ihn sorgsam zu.
Yûtas Haare sind liederlich verteilt, fallen in dessen Gesicht. Ryôsuke streicht sie sanft aus seiner Stirn und wünscht sich kurz, es nicht getan zu haben. Yûtas Augen sind rot und geschwollen.
Sein Atem stockt dann und wann, ein Überbleibsel seines Weinkrampfes.
„Es tut mir leid“, flüstert er stimm- und atemlos in Ryôsukes Unterhemd, doch er macht keine Anstalten, ihn loszulassen.
„Es tut mir leid. Es tut mir leid.“
„Shh, ist ja gut“, murmelt Ryôsuke leise in seine Haare.
Dann tut er etwas, was Wataru damals bei ihm getan hat; Er küsst Yûta federleicht auf die Stirn.
Und damit fühlt er sich gar nicht so seltsam.
Es ist ein bisschen so, als würde er das Ritual weitergeben, angereichert mit einem Bisschen seiner nutzlosen Liebe.
„Muss es nicht. Wir sind doch Freunde. Komm, versuch zu schlafen.“
Er streichelt Yûtas Rücken.
„Du bist absolut am Ende.“
Er wird ihn morgen schlafen lassen. Seinen Wecker ausstellen. Ihn im Büro entschuldigen. Egal, was diese Mistmade Tsurumi sagt.
Yûtas schließt die Augen.
Seine Lippen sind voll und rot und schön und Ryôsuke betrachtet lange diese drei sinnlichen Leberflecken unter Yûtas linkem Auge.
Und vielleicht, ganz vielleicht nimmt er sich heute Nacht den Mut, sich im Schlaf genauso an ihn zu klammern wie Yûta sich an ihm festhält.