Beerdigung (h/c: Traumatisches Erlebnis: Für mich)

Aug 05, 2016 20:09

Team: Gryffindor
Challenge: H/C: Traumatisches Erlebnis (für mich)
Fandom: Tumbling (Dystopie AU)
Wörter: ~1300
Warnung: ziemlich heftiges gore, Erwähnung von rape
Anmerkung: Ich weiß ja auch nicht... aber es ist weniger schlimm als die Sachen davor? (Glaubt mir das noch jemand?). Es war gar nicht so geplant, aber dieses Stück ist tatsächlich ein Teil Genugtuung für Ryôsuke. Hino is kratzbürstig. Mizusawa ist vernünftig. Und Wataru ist vor allem voller Gefühle.



Der Leichnam ist so verstümmelt, dass man ihn kaum als solchen erkennt.

Wataru tritt tatsächlich fast auf ihn.

Das Sonnenlicht spuckt helle Flecken durch die löchrige Fassade des Hauses. Oder dem, was davon noch übrig ist. Zwei Wände sind komplett zerstört, zwei stehen sehr wackelig und bieten halben Schutz vor dem Licht des Spätnachmittags.
Es ist eher ein Schweizer Käse als ein Lagerhaus.

Wataru bemerkt erst viel spät, worauf er um ein Haar seinen Fuß stellt. Sein Bein bleibt in der Luft stehen.

Es ist der Teil eines männlichen Unterleibes.
Man kann sehen, wo die Oberschenkel anfangen, die in zerrissenen Jeanshosen münden und von Geröll überschüttet sind.
Dort, wo die Hüften ansetzen würden, klafft ein dunkles, fast schwarzes Loch.

Irgendjemand oder...irgendetwas hat diesen Mann halbiert.

„Oh Gott“, hört Wataru Kiyama sagen. Dann macht dieser einen Ausfallschritt nach hinten um Hino daran zu hindern, vorzutreten und sich denselben Anblick geben zu müssen.

Wataru kann nicht aufhören zu starren.

Was auch immer mit diesem Menschen passiert ist - es war kein Unfall.

Er weiß nicht, was hier geschehen ist.
In der Ecke stapeln sich gefühlt hunderte von Konservendosen, warten nur darauf, eingesammelt zu werden. Wer auch immer hier gehaust hat; in dieser Welt war er ein Milliardär.

Vielleicht war das der Grund, dass ihn irgendwer...kastriert hat.

Wataru kann den Blick nicht von dem Loch abwenden, an dem einmal Penis und Hoden gesessen haben müssen. Da sind keine Spuren von Zähnen, keine Verletzungen. Nur Blut. Als ob jemand die Teile sauber mit einem sehr scharfen Messer abgetrennt hat. Wataru hat heute noch nichts gegessen, aber er bekommt das Gefühl, sich jeden Augenblick übergeben zu müssen.

Es ist Ryôsuke, der ihn davon abhält.

Er steht starr und stumm wie eine Statur neben ihm und wendet seinen Blick nicht ab. Mit seinen hellblond gefärbten Haaren, die im Sonnenlicht weiße Flecken in das Sichtfeld strahlen, sieht er fast aus wie ein Todesengel.

„Das ist Katô“, sagt er nach einer ganzen Weile. Er blinzelt nicht einmal.

„Was?“, haucht Kiyama.
Er auf der anderen Seite von Ryôsuke und versucht immer noch, Hino zurückzudrängen. Hino, der so genervt aussieht, dass Wataru Wetten abgeben würde, dass er Kiyama gleich in die Schulter beißt.

„Das ist Katô“, wiederholt Ryôsuke sehr leise.

„Mein alter Boss.“

In der Ecke fällt eine Konservendose blechern zu Boden.
Mizusawa, der einzige, der sich bis eben an die Arbeit gemacht hat, die Lebensmittel einzupacken, wendet sich um.

Es ist das erste Mal, dass er bei einer der Touren dabei ist. Das Team war noch nie so groß - bestehend aus Wataru und Kiyama, Ryôsuke, Mizusawa und Hino, den man von seinen gelegentlichen Streifzügen nicht abhalten kann. Nur deswegen hat Wataru sich hier überhaupt hineingetraut.

„Woher willst du das wissen?“, will Hino kratzbürstig wissen.

„Das ist ein Stück Bauch mit Beinen dran!“

Ryôsuke schluckt. Er blinzelt sehr langsam und sieht zu Boden.

„Ich weiß es einfach.“

Die Art, wie er reglos verharrt, könnte einen glauben machen, dass dies ein traumatisches Erlebnis für ihn ist. Noch eins.

Nur, dass alle wissen, dass er seinen alten Boss nicht gemocht hat.
Man hegt in der Regel keine positiven Gefühle für jemanden, der einen systematisch verhungern lässt, missbraucht und dann zum Sterben wegwirft.

„Blödsinn!“, spuckt Hino.

„Du spielst dich doch nur auf!“

„Hino, halt die Klappe!“

Das ist Mizusawa. Mit geballten Fäusten steht er da, klein und niedlich und zornig, bereit, für Ryôsuke gegen kratzbürstige Jungen und Schatten zu kämpfen.

„Ist er es wirklich?“, entfährt es Kiyama vorsichtig.

„Das würde... nein, wir müssen vorsichtig sein, bevor wir solche Mutmaßungen anstellen. Katô gehört diese Gegend hier quasi, es ist gefährlich, wenn wir uns vorschnell in Sicherheit wiegen.“

Und damit hat er Recht.
Was dafür spricht, dass er es ist: Die Lebensmittel, die schiere Schatzkammer in der Ecke. Normalerweise bleibt so etwas keinen halben Tag unentdeckt. Die Leiche sieht aber schon länger tot aus.
Was dagegen spricht: Es ist fucking Katô. Der Typ ist nicht totzukriegen. Oder etwa doch?

„Ist schon gut“, sagt Ryôsuke langsam.
„Ich würde mir vermutlich auch nicht glauben.“

Dann tut er einen Schritt nach vorne auf den Leichenteil zu und es sieht aus, als würde er eine Wand mit seinem gesamten Körper nach vorne drücken.

„Seht ihr dieses Muttermal dort? Das fast kreisrunde?“

Es ist fast nicht zu übersehen, genau oberhalb der Stelle, wo der Kerl mal seinen Schwanz hatte.

„Ja, und?“, entgegnet Hino abfällig.

Ryôsuke schaut wieder auf den Boden.

„Wenn man sehr oft mit der Nase dagegen gedrückt worden ist, vergisst man das nicht mehr.“

Sofort kehrt Watarus Würgereiz zurück.

Hino sieht aus, als hätte er auf etwas sehr Saures gebissen. Kiyama presst sich die Hand auf den Mund. Mizusawa ist erstarrt.

„Scheiße“, sagt Wataru leise.
„Ryôsuke, ich... Scheiße.“

„Was machen wir jetzt?“
Er ist Hino fast dankbar dafür, dass dieser das unbeholfene Schweigen übergeht. Der Junge kickt Steine gegen Wände und macht auf genervt. Aber Wataru weiß es besser, nämlich, dass das Hinos Art ist, mit so etwas umzugehen.

Es ist nur...Wataru kann sich nicht bewegen. Im untergehenden Sonnenlicht fühlt er sich gefangen. Der Moment zieht sich ewig lang, lähmt ihn.

Das hier ist nicht Ryôsukes traumatisches Erlebnis, begreift er. Es ist sein eigenes.

Wie oft hat er sich vorgestellt, Katô gegenüberzutreten. Wie oft ist er nachts weinend in Yûtas Armen aufgewacht, weil er es nicht geschafft hat, Ryôsuke von dem Kerl wegzuziehen.
Und nun ist von diesem Menschen nicht mehr übrig als ein Stück Fleisch.

Wer ist hierfür verantwortlich? Vielleicht ein anderer von Katô gepeinigter Mensch? Oder jemand, der noch schlimmer ist als er?

„Wir begraben ihn“, sagt Mizusawa. Seine Stimme klingt trocken und brüchig, als würde er sich mit letzter Kraft an der Vernunft festhalten.

„Ryôsuke, willst du?“

Wataru hat noch immer Schwierigkeiten, Luft zu bekommen, als sich alle Augen auf seinen Freund richten. Auf seine hellen, hellen Haare und seinen waidwunden Blick.

Er nickt.

-

Es wäre besser gewesen, den Leichenteil zu verbrennen.

Aber niemand will für Katô so viel Aufsehen erregen. Der Rauch würde sämtliche andere Banden aus der Umgebung anlocken.

Also hilft Kiyama, ein Loch schippen, in das die sterblichen Überreste des Anführers passen.

Wataru muss wegsehen, als er und Ryôsuke sie in das Loch schieben und dann fallenlassen, vorsichtig darauf bedacht, sie nicht zu berühren.

Dann wirft Ryôsuke die Erde zurück, über Katô.

Bei jedem bisschen wirkt er ruhiger.

Wataru meint langsam zu verstehen, warum.

Es ist das Beste, was seinem Freund passieren konnte.

Sein Peiniger ist tot, aber er musste ihn nicht umbringen.
Er kann ihn begraben und ruhigen Gewissens sagen, dass er ihn überlebt hat. Dass er ihn lang überleben wird.

Wataru bemerkt erst viel zu spät, dass er die Arme um seinen eigenen Körper geschlungen hat wie jemand, der friert. Er löst mühsam seinen Griff, weil es albern ist. Nicht er ist hier der Leidtragende, verdammt.

Sie stehen im Halbkreis um das Grab herum, sehen zu, wie Ryôsuke die Erde feststampft.

Wataru fühlt eine warme Hand an seinem Rücken. Es ist Mizusawa, der ihn vorsichtig betrachtet.

„Vielleicht bist du einmal ein Mensch gewesen“, sagt Ryôsuke leise und andächtig zum Grab.
„Ich hab dich nicht mehr als einen kennengelernt. Und darum soll sich an dich auch niemand mehr erinnern. Ich gebe dir keinen Grabstein, keine Inschrift, ich nehme deinen Namen mit. Vielleicht vergesse ich ihn sogar irgendwann. Das ist meine Rache. Das ist, was ich dir zurückzahle.“

Und dann, in einem winzigen Augenblick sehen sie den wahren Ryôsuke hervorblitzen zwischen all dem Elend und dem stillen Zorn. Er beugt sich vor und spuckt auf die festgetretene Erde.

Es ist der Moment, in dem Mizusawa Wataru tröstend den Rücken streichelt, weil er merkt, dass Wataru das braucht.

Es ist der Moment, in dem Hino in ein spöttisches Grinsen ausbricht, weil er mag, was er sieht.

Es ist der Moment, in dem Kiyama sich dem seltenen Vergnügen hingibt, sich eine Zigarette herauszuholen und anzuzünden.

Es ist die bizarrste Beerdigung, die sie je erlebt haben.

tsutsumi, tumbling, team: gryffindor

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