Team: Persephone
Challenge: h/c - Unter Schock (für mich)
Fandom: Tumbling
Charaktere: Ryôsuke, OC
Direkte Fortsetzung
hiervon Sie hatten ihn nicht gesehen.
Noch nicht.
Hoffte Ryôsuke.
Jedenfalls beachteten sie ihn nicht.
Langsam wich er zurück, jeder Funken an Zivilcourage hatte sich in Rekordgeschwindigkeit verflüchtigt. Zurück blieb eine Angst, die sich sich bisher klein und unscheinbar in seinem Hinterkopf versteckt hatte, die sich jetzt aber hungrig durch sein Gehirn zu fressen schien. Sich einnistend wie ein widerlicher Parasit.
Bitte... sie durften ihn nicht bemerken. Nicht ausgerechnet jetzt.
Er hatte mit ihnen nichts mehr zu tun. Sie ließen ihn in Ruhe. Aber würden sie das auch noch tun, wenn sie erfuhren, dass Wataru nicht mehr da war?
Diese Frage konnte Ryôsuke sich sofort selbst beantworten: Nein. Würden sie nicht.
Sobald Kurosaki oder gar Harada merkten, dass er alleine war, würden sie ihn fertigmachen. Gerade Kurosaki war niemand, der einfach vergaß. Schon gar nicht denjenigen, der indirekt Schuld daran war, dass er in den Knast gewandert war.
Inzwischen war er ein gutes Stück von der Gruppe entfernt und noch immer hatte sich niemand nach ihm umgedreht. Und er war noch nirgendwo gegengelaufen, was erstaunlich war. Jetzt konnte er sich auch endlich dazu bringen, sich umzudrehen und die Beine in die Hand zu nehmen.
Neben der Angst, die es sich gerade gemütlich gemacht hatte, kroch nun ein schlechtes Gewissen aus seinem Loch, offenbar bestrebt, es sich neben der Angst gemütlich zu machen.
Zitternd blieb Ryôsuke stehen und rang nach Luft. Es war eine Atemnot, die nichts mit dem kurzen Sprint zu tun hatte, er war eine Mischung aus Angst, Wut und Scham.
Er war einfach davongelaufen, anstatt irgendetwas zu tun. Es gab nichts, was er hätte tun können, um dem Mann zu helfen.
Jedenfalls redete er sich das ein. Aber eigentlich wusste er es besser. Oder glaubte es besser zu wissen.
Feigling.
In seiner Hosentasche vibrierte es und Ryôsuke schloss kurz die Augen. Es konnte nur einer sein, der ihn jetzt anrief. Nur Wataru hatte einen Grund, anzurufen. Ausgerechnet jetzt.
Es kostete unglaubliche Überwindung, das Handy in die Hand zu nehmen und wirklich leuchtete ihm Watarus Name entgegen. Ein Name, der die eisige Kälte in ihm ein wenig vertrieb, die Angst und Scham mitgebracht hatten.
Aber konnte er den Anruf jetzt annehmen? Wataru würde sofort hören, das etwas nicht stimmte. Wenn er ihn ignorierte, würde es ihn aber auch aufmerken lassen.
Trotzdem wartete Ryôsuke, bis das Handy wieder verstummte. Er konnte es jetzt nicht. Er konnte nicht mit Wataru sprechen. Zur Not würde er ihm beim nächsten Mal einfach sagen, dass er geschlafen hatte. In der Hoffnung, dass Wataru dann keine Fragen stellen würde. Er wusste nichts von seinen beschissenen Arbeitszeiten. Nur, dass er sich direkt einen Job gesucht hatte, weil er nichts besseres zu tun gehabt hatte.
Wie hätte er ihm sagen sollen, dass er einfach keine Perspektive sah? Dass seine Familie ihm niemals erlauben würde, etwas zu tun, das ihm Spaß machen könnte. Jedenfalls nicht, wenn er ihnen dann weiter auf der Tasche lag.
Ein lautes Klingeln riss ihn so jäh in die Wirklichkeit zurück, als würde ein Gummiband sich wieder zusammenziehen. In letzter Sekunde sprang Ryôsuke zur Seite, bevor ein Radfahrer ihn ummähen konnte und sein Herzschlag versuchte nochmal, einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen. Sicherheitshalber zog er sich bis an eine Hauswand zurück und sah dort nochmal auf sein Handy, aber Wataru hatte keine Nachricht hinterlassen. Warum er schon wieder nachsah, darüber wollte er selbst nicht so genau nachdenken.
Seine Hand zitterte und er hielt sein Handy fester als nötig, damit es ihm runterfiel. So schnell würde er sicher kein neues bekommen. Aber wenigstens war er jetzt wach.
Jemand griff so schnell zu, dass Ryôsuke erst zu spät merkte, dass ihm gerade sein Handy geklaut wurde. Noch zu erschrocken, um wirklich wütend zu sein, sah er auf und schlagartig war ihm eiskalt.
Positiv war, dass es nicht Harada war. Aber der war bestimmt auch nicht weit. Inzwischen war er offenbar sowas wie Kurosakis rechte Hand und genau der wog gerade prüfend das schon reichlich mitgenommene Smartphone in seiner Hand. „Dass du dich mit dem Ding überhaupt raustraust...“
„Dann kannst du es mir ja zurückgeben.“ Er klang selbstbewusster, als er sich gerade fühlte, aber Ryôsuke ließ das nur zu gerne gelten.
„Mal sehen. Wenn du mich richtig darum bittest.“
„Ach, willst du mich nicht mehr umbringen?“ Im selben Moment hätte Ryôsuke sich am liebsten selbst geohrfeigt. Kurosaki hatte nicht direkt einen seiner Schläger auf ihn gehetzt, er sollte das wirklich nicht auch noch provozieren.
Erstmal aber pfiff er nicht Takano oder Harada (oder am besten beide) her, sondern sagte nach einer winzigen, viel zu merkbaren Pause: „Du solltest wirklich lernen, deinen Mund zu halten. Diesmal wird keiner mehr deinen Arsch retten kommen.“
Die Message war deutlich. Kurosaki wusste Bescheid. Ryôsuke hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst.
„Ich komme auch alleine klar.“ Trotzig. Und dabei genau wissend, dass es ein total dummer Spruch war, der Kurosaki nochmal extra provozieren würde. Geniale Idee. Der Typ hatte sein Handy als Geisel und er brauchte es doch noch! Was, wenn Wataru...
Aber anstatt ihm direkt eine reinzuhauen, warf Kurosaki ihm das Handy wieder zu und überrascht konnte Ryôsuke es erst in letzter Sekunde wieder auffangen. „Überleg dir besser, wie du in Zukunft mit mir redest.“
„Ich wüsste nicht, warum.“
„Weil du noch früh genug wieder angekrochen kommen wirst.“ Das Lächeln, das diese Worte begleitete, hatte die Bedeutung des Wortes 'höhnisch' neu erfunden und Ryôsuke sagte lieber nichts mehr. Damit hatte er anscheinend richtig reagiert, denn Kurosaki nickte knapp. „Geht doch. Bis bald.“
Das gab dem Ausschlag, dass Ryôsuke jetzt doch schnellstmöglich nach Hause ging.