Bi-Belle Fan-Fick

Jan 09, 2012 18:40

Die Feder gezückt grübelte Heavy über die rechten Worte seine Holde zurück zu erobern. Er war kein großer Poet, wusste nicht einmal was Poesie war, und war doch dabei sie zu erfinden. Wie von allein flossen die Worte aus seinem Mund:

Ich hab mich heut' nach dir gesehnt,
zu lang ham wir uns nicht geseh'n.
An deine Nähe bin ich gewöhnt,
keine And're könnt sein so schön.
Du bist die Erste, du bist die Einzige,
du hast mich gefunden und behalten.
Ich bin Entdecker, ich bin der Eifrige,
eroberte den Ort, wo Zauberkräfte walten.

Heavy dachte kurz nach... Könnte man das nicht besser sagen?

eroberte den Ort, an dem Zauberkräfte walten.

Nicht ganz das, was ihn daran gestört hatte... Vielleicht so?

eroberte den Ort, an dem magisch' Kräfte walten.

Besser, viel besser, lobte sich Heavy selbst und fuhr fort:

Jetzt bist du fort und ich allein,
ich rannte dir nach und stellte mir selbst ein Bein.
Ich schenkte dir ein, du trankst den Wein,
immer dein, nein, nein, nein,
wein, wein, wein...

Irgendwie war der Dichterfluss ins Stocken gekommen. Hier schien der Pfad zu enden, wie ein Echo wiederholten sich nur ewig die selben Laute.

Also entschied Heavy sich, noch einmal von vorn zu beginnen und diesmal gleich klingende Lautendungen zu vermeiden. Gleich klingende Lautendungen, soll sich doch jemand anderes damit rumschlagen. Gleich klingende Lautendungen, wie soll man darüber überhaupt mit jemandem reden, ohne immer diese sperrige Umschreibung zu verwenden? Vielleicht sollte er ein kürzeres Wort dafür erfinden, um das Konzept besser zu fassen?

Heavy war kurz davor, das Wort Reim zu erfinden, fand es dann aber doch wichtiger, mit dem neuen Gedicht anzufangen und Reime erstmal Reime sein zu lassen.

Deine Augen, tief wie das All,
deine Haare, ungezähmte Natur,

An dieser Stelle geriet Heavy bereits ins Grübeln. Wäre vielleicht ein Kontrast mit der Tiefe des Alls nicht passender?

deine Haare, so lang wie...,
deine Haare, ...,

Ohne passende Idee stellte Heavy die Stelle hinten an und dichtete erstmal weiter:

deine Backen, rosig wie der Morgen,
deine Lippen, süß und sanft,
deine Lauscher, lange Löffel,
dein Mund, das Gefängnis der frechen Zunge,
deine Zunge, geschmückt mit strahlenden Perlen,

Heavy unterbrach sich erneut. Musste er wirklich jede Zeile mit Deine beginnen? Nun hatte er die Wiederholung am Ende vermieden, aber dafür dasselbe am Anfang fabriziert! Also noch mal von vorn:

Augen, so tief wie das All,
Haare, so lang wie die Zeit, (hatte er nun doch auch die passende Idee für diese Stelle.)
Backen, rosig wie der Morgen,
süße Lippen, sanfte Worte,
aufgesperrte Ohren, denen nichts entgeht,
geschlossener Mund, das Gefängnis der frechen Zunge,
flüchtige Zunge, mit strahlenden Perlen geschmückt,
schmaler Hals, Brücke zur Brust,
süße Äpfel, klein aber fein,
üppige Pfirsiche, laden fremde Hände ein,
flinke Hände, sausen durch die Luft,
elegante Arme, schlank und doch stark,
schier endlose Beine, enden doch in zehn Zehen,
luftig leichte Füße, springen wohin sie wollen,
federnde Fersen, rund geformt, fangen dich auf,
rund geformt, Pfirsich!
rund geschwungen, Äpfel!
rund gezogen, Fesseln!

Heavy steigerte sich immer mehr in etwas hinein, aber irgendwie litt die Form und auch der Sinn verabschiedete sich mehr und mehr. Wie er nun bemerkte, hatte er ab Lippen angefangen, die Körperteile mit Eigenschaftswörtern zu versehen und wollte nun eine einheitliche Linie in das Gedicht bringen:

Augen, so tief wie das All,
Haare, so lang wie die Zeit,
Backen, rosig wie der Morgen,
Lippen, rot und feucht,
Ohrmuscheln, Fallen für Komplimente,
Mund, Bändiger der frechen Zunge,
Zunge, plant ihre Flucht,
Zähne, wie strahlende Perlen,
Hals, schmale Brücke zur Brust,
süße Äpfel, klein aber fein,
üppige Pfirsiche, laden fremde Hände ein,
flinke Hände, sausen durch die Luft,
elegante Arme, schlank und doch stark,
schier endlose Beine, enden doch in zehn Zehen,
luftig leichte Füße, springen wohin sie wollen,
federnde Fersen, rund geformt, fangen dich auf,
rund geformt, Pfirsich!
rund geschwungen, Äpfel!
rund gezogen, Fesseln!

Am Ende war das Ergebnis doch nicht so verschieden und die Eigenschaftswörter vielleicht doch nicht verzichtbar. Sollte er es noch einmal von Anfang an mit Eigenschaftswörtern probieren?

Heavy entschied sich dagegen und fing lieber an, ein weiteres komplett neues Gedicht zu schreiben:

Du weißt mich zu schätzen,
kennst jeden Winkel in mir.
Verstehst, was ich fühle,
denkst mir voraus.
Weißt was ich tue, bevor ich es tue.
Du kennst mich wie dich,
verstehst dich mit mir.

Heavy hielt inne. Die vierte Zeile würde besser mit einem noch klingen:

denkst mir noch voraus.

Viel besser. Also nochmal von vorn:

Du weißt mich zu schätzen,
kennst jeden Winkel in mir.
Verstehst, was ich fühle,
denkst mir noch voraus.
Weißt was ich tue, bevor ich es tue.
Du kennst mich wie dich,
verstehst dich mit mir.
Du weißt, was du nicht weißt,
wenn du es nicht weißt,
es zu wissen nichts gibt.
Was ich nicht weiß, erklärst du mir,
was ich nicht verstehe, woher du es weißt.
Bin nichts wissend, du all wissend,
will alles wissen, du nur küssen,
dein Mund verstummt, muss ihn öffnen,
mit dem Schlüssel, dem einen,
den ich beherrsche.
Du bist die Hüterin des Wissens,
hast einen ganzen Bund voller Schlüssel.
Ich nur den einen, dreh ihn ignorant wie ich bin um.

Zu lang, oder?

dreh ihn ignorant um.

Besser. Also:

Ich nur den einen,
dreh ihn ignorant um.
Wein, wein, Wein.

Wieder diese Reime! Ach ja, Reime. Das ist kürzer als gleich klingende Lautendungen. Wenn Heavy so darüber nachdachte, war das erste vielleicht doch das beste Gedicht gewesen.

Also machte er sich auf den Weg zu Ava. Er wusste genau, wo sie sich versteckte, unter dem Baum, wo sie sich zum ersten Mal getroffen hatten. Ava sah ihn schon von weitem und sah ihn mit erwartungsvollem Blick an, begierig zu hören, was er ihr zu sagen hatte. Er setzte an. Dann räusperte er sich, verlegen und in Sorge, das auswendig gelernte Werk falsch aufzusagen. Schließlich begann er doch und erlöste die immer größer werdenden Augen Avas, die sich nun schlossen, um das Gehörte besser vor ihrem geistigen Auge zu visualisieren...

"Ich hab mich heut' nach dir gesehnt,
zu lang ham wir uns nicht geseh'n.
An deine Nähe bin ich gewöhnt,
keine And're könnt sein..."

Hier nahm Ava ihm die Worte aus dem Mund und beendete seinen Satz: "... so schön." Diese Reime sind verhext, verraten das Ende noch bevor es gesagt ist! Heavy fühlte sich wie David Copperfield, ohne zu wissen, wer das überhaupt ist.

"Du bist die Erste, du bist die Einzige,
du hast mich gefunden und behalten.
Ich bin Entdecker, ich bin der Eifrige,
eroberte den Ort, an dem magisch' Kräfte walten."

Das letzte Wort ertönte wiederum zweistimmig. Nicht schlecht, sagte der anerkennende Blick Heavys auf seine Angebetete.

"Jetzt bist du fort und ich allein,
ich rannte dir nach und stellte mir selbst ein Bein.
Ich schenkte dir ein, du trankst den Wein,
immer dein, du sagst nein,
und ich wein, wein, wein..."

Ava hatte Tränen in ihren Augen und das Gedicht seine Wirkung offensichtlich nicht verfehlt. Yes! sagte Heavy zu sich selbst, und hatte es dabei doch versäumt, vorher noch die englische Sprache zu erfinden. Na ja, das hat Zeit bis später, yes ist sowieso das wichtigste Wort in dieser noch unbekannten Sprache.

Ava lehnte ihren Kopf an Heavys Brust und benetzte mit ihren Tränen sein weiches Hemd. Als sie sich wieder gefangen hatte, eröffnete sie ihm:

"Das zweite Gedicht fand ich auch sehr schön, fast noch besser als das erste..."

Heavy war verduzt. "Woher weißt du von dem zweiten Gedicht?"

Ava schaute ihn mit einem verschmitzten Lächeln an. "Das weißt du doch bereits. Denk doch mal darüber nach, was du in deinem dritten Gedicht geschrieben hast."

Heavy erinnerte sich plötzlich wieder, wie sie im Streit auseinander gegangen waren. Ihre Art, immer alles bereits zu wissen und ihm jede Chance der Selbstbehauptung zu verwehren. Er hatte immer das Gefühl gehabt, dass es bei Avas Wissen nicht mit rechten Dingen zugeht.

"Diese anderen beiden Gedichte sind noch nicht fertig gewesen. Du musst warten, bis ich bereit bin, sie dir zu zeigen. Wann hattest du überhaupt Zeit, in meinen Zetteln zu spionieren? Ich habe mich doch direkt auf den Weg zu dir gemacht? Hattest du etwa einen Komplizen? Die frechen Spatzen, die es dir von den Dächern der ungebauten Häuser zugepfiffen haben?"

Ungebaute Häuser... Ava war es leid, immer unter freiem Himmel zu schlafen, besonders wenn es kalt war oder sogar regnete. Davon wachte sie dann immer auf. Sie hoffte inständig, dass Heavy bald das Haus erfinden würde. Dann ging sie in sich, um für diesen Zeitpunkt die Antwort zu finden. Sie wusste, es würde noch Jahre dauern, aber nicht genau, wie viele. Komisch, das Bild von Heavys erstem Haus war so unbeständig, flackerte, war mal da, mal nicht. Aber nicht nur das Haus, auch der stolze Erbauer Heavy verschwand und erschien mit dem Haus.

"Heavy, wo du gerade Dächer sagst, kannst du dir unter dem Wort Dach etwas vorstellen?"

In Heavys Kopf nahm das Konzept Form an und er schmiedete Pläne, etwas zu bauen, das er kurz zuvor bereits Haus genannt hatte. Strahlend wollte er Ava von seiner Idee erzählen, als sie ihm zuvorkommend fragte: "Und? Wann wirst du mein Haus bauen? Ich kann sehen, dass du es erdacht hast, aber aus irgendeinem Grund wird es nie gebaut werden. Wenn ich nur wüsste, warum nicht..."

Avas allwissendes Auge sah den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Die Zukunft war plötzlich so kompliziert geworden und sie musste sich erst noch einen Überblick verschaffen. Gleichzeitig verstand Heavy plötzlich, was er im Ansatz schon vor ihrem letzten Streit verstanden hatte.

Ava war in der Tat allwissend. Es gab in der Tat nichts, was sie nicht wusste. Ihr Wissen war in der Tat grenzenlos. Ohne es zu verstehen, hatte Heavy gerade eine Hälfte der Idee von Gott erfunden. Nur dass Gott, in diesem Fall eine wunderschöne Göttin, bereits existierte.

Mit göttlicher Schönheit konnte Heavy nicht nur leben, dafür wollte er sogar leben. Aber göttliches Allwissen? Diese ungeheure Fähigkeit schien seiner Existenz jeden Sinn zu rauben.

Er drehte sich um und begann zu laufen. Immer schneller wurden seine Schritte. Ava verstand sofort, was er vor hatte. Die Zukunft hatte sich manifestiert und sie war das Gegenteil von göttlich schön.

Ava eilte Heavy nach, doch war sie allwissend, nicht göttlich schnell, und konnte ihn weder einholen noch mit ihm Schritt halten. Immer weiter entfernte er sich, und nur weil sie schon wusste, wo er hin laufen würde, fand sie den Weg zu seinem Ziel.

An der Klippe sah sie hinab zu seinem Leichnahm, winzig klein in der Ferne. Sie schluchzte und sah ihren Tränen nach, die ihr voraus zu Heavy flogen.

Statt sich selbst hinterher zu stürzen, machte sie sich jedoch schließlich auf, ihren Bruder zu finden. Sie wusste natürlich, wo er sich aufhielt, und hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er ihr helfen könne.

Als sie schließlich mit Edam bei Heavys leblosem Körper ankam, hatte dieser bereits von ihr erfahren, was vorgefallen war. Er konnte verstehen, warum Heavy das getan hatte, Avas Allbesserwissen hatte ihn auch schon Nerven gekostet und er hatte gelernt, sich von ihr fernzuhalten.

"Kannst du ihn wieder lebendig machen? Ich weiß, dass du es kannst, aber wirst du es tun? Das Bild der Zukunft ist so unscharf geworden..."

Edam hob seine Hände über Heavys Leichnahm und übergoss ihn mit einer mächtigen Aura. "Das kann ich wohl, aber wird es auch helfen? Was siehst du?"

In dem Moment, als durch Edams Eingreifen die Möglichkeit von Heavys Wiederauferstehung geboren war, sah Ava natürlich, was ab diesem Zeitpunkt geschehen würde. Zu ihrem Entsetzten, egal, wie sie versuchen würde, Heavys Angst vor ihrem Allwissen zu beschwichtigen, war das Ergebnis immer gleich: Es endete immer mit erneutem Selbstmord Heavys.

Darüber brach sie in Tränen aus. Edam war zwar nur allmächtig und nicht allwissend, aber auch er wusste, was Ava gesehen hatte. Er konnte Heavy gut verstehen.

Ava sah eine einsame Zukunft. Eine lange und einsame Zukunft. "Du, Edam. Dieses Gedicht von Heavy hat mich echt rollig gemacht. Soll ich es dir mal vortragen?"

"Und wozu soll das gut sein? Du weißt doch, dass wir beide nicht miteinander können."

"Ach, spring doch mal über deinen Schatten! Kann doch nicht sein, dass dein kleiner Gott für mich nicht groß werden will!"

"Bedaure, aber da regt sich nichts, fürchte ich..."

"Dann mach mir wenigstens einen neuen Mann! Wie wärs, wenn du ihm zwei davon verpasst...?"

"Aber dann kann er die ja nicht mehr bei mir benutzen. Denk doch auch mal an mich."

"Wusste ich's doch, dass eure Männernudel nie für Frauen konzipiert war! Schwuler Gott, schwule Kreation! Vielleicht könntest du euch zwei Arschlöcher machen, damit es wieder passt?"

"Jetzt lass mal gut sein, du kriegst ja deinen Mann. Oder zwei, wenn dir einer nicht reicht. Ach, ich bin spendabel, kriegst du drei."

Als er die gut bestückten Mannsbilder, die er für Ava erschaffen hatte, in Augenschein nahm, besonders zwischen ihren Beinen, entschloss er sich, ihre Dienste erst mal selbst in Anspruch zu nehmen.

"Sorry, Schwester, aber ich brauch es dringender. Nachdem du Heavy so für dich in Beschlag genommen hast."

"Alle drei? Lass mir doch wenigstens den einen!"

"Du wirst schön warten müssen. Kannst uns ja mit deinem allwissenden Auge dabei zusehen und dir dazu die Möse rubbeln."

"Weißt du was, das werde ich auch tun. Gibt nix Geileres als Männer, die es sich im Arsch besorgen. Du Hurengott!"

nie, geh, sis

Previous post Next post
Up